Industrie auf Nachhaltigkeitskurs

Herr Dielacher, am 11. März ging in Komárom in Ungarn eine von BDI gebaute Biodiesel-Anlage in Betrieb. Was zeichnet diese Anlage aus?
Für unseren Kunden Envien Group haben wir eine Multi-Feedstock-Anlage der neuesten Generation errichtet – von der Planung bis zur Inbetriebnahme. Unsere selbst entwickelte Technologie ermöglicht unserem Kunden, minderwertigste Stoffe wie Abfallöle oder Abfallfette in hochwertigen, nachhaltigen Biodiesel umzuwandeln. Mit der erzielten Jahresproduktion von Biodiesel können umgerechnet über 70.000 Fahrzeuge CO2-neutral betrieben werden.
BDI ist ein steirisches Unternehmen und Weltmarktführer im Bau von Biodieselanlagen. Wie bauen Sie diese Position weiter aus?
Wir haben vor mehr als 25 Jahren in Mureck begonnen, aus Altspeiseöl Biodiesel herzustellen. Seither haben wir unsere Technologien ständig weiterentwickelt, über 320 Patente angemeldet; wir forschen im Haus sowie mit Universitäten und Fachhochschulen und sind unter anderem Weltmarktführer im Biodiesel-Anlagenbau. Mit unserer patentierten Rep-CAT-Technologie mit einem wiederverwendbaren Katalysator liefern wir ein einzigartiges umweltschonendes Verfahren. Gleichzeitig können wir die große Bandbreite an Abfallölen und -fetten aus Industrie und Gewerbe verarbeiten.
Erwarten Sie angesichts der unsicheren Versorgung mit fossilen Brennstoffen und des Klimawandels einen neuen Biodiesel-Boom?
Die Nachfrage nach Biodiesel war immer groß – etwa in der BSE-Krise, als unsere Anlagen tierische Fette aus ganz Europa zu umweltfreundlichem Biodiesel verarbeiteten, statt sie zu verbrennen. Die „Silver Bullet“ für den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen gibt es nicht. Biomasse bildet eine der Möglichkeiten neben Solarenergie, Wind und Wasser. Um den ökologischen Fußabdruck zu verkleinern, brauchen wir einen Mix der Technologien, die der Markt zu bieten hat, von E-Mobilität über Wind- und Wasserkraft bis zu Solarenergie. Aber Biodiesel hat eine beeindruckende Ökobilanz: Ein Liter grüner Kraftstoff aus Altfetten reduziert die Treibhausgasemissionen im Vergleich zu fossilem Diesel um 88 Prozent und ist innerhalb von 21 Tagen vollständig biologisch abbaubar.
Wo können Biotreibstoffe die fossilen Treibstoffe ersetzen?
Bereits jetzt sind in Österreich Diesel sieben Prozent Biodiesel beigemischt – 15 oder 20 Prozent wären möglich. Biotreibstoffe sind CO2-schonend und werden im eigenen Land produziert – jeder Tropfen wirkt sich positiv aus. Der Klimawandel wartet nicht auf Technologien, die noch nicht ausgereift sind. Biodiesel, der aus Altölen und -fetten gewonnen wird, ist ein nachhaltiger, etablierter Treibstoff für eine breite Palette an Anwendungen.
Was spricht dabei speziell für Biodiesel?
Man muss auch mit erneuerbaren Energien ressourcenschonend umgehen und sie effizient einsetzen: Die Produktion von Biodiesel ist aktuell ökologisch und ökonomisch gesehen die optimale Lösung. Im Sinne der Kreislaufwirtschaft werden Abfallöle und -fette chemisch aufgewertet, liefern einerseits einen positiven Beitrag zur Treibhausgasreduktion und sorgen andererseits für Autarkie bei der Energieversorgung – die gewinnt nicht nur in Österreich an Bedeutung.
BDI-BioEnergy International geht seit ein paar Jahren über den Biodiesel-Anlagenbau hinaus. Wohin führt die Reise?
Seit drei Jahren positionieren wir uns als Komplettanbieter für GreenTech Solutions. Das heißt, wir bieten maßgeschneiderte Dienstleistungen bei der Entwicklung von nasschemischen Prozessen, um Technologien vom Labormaßstab zur Industriereife hochzuskalieren. Egal, ob es sich um chemisches Kunststoff-Upcycling, Phosphor-Recycling oder die Aufzucht von Mikroalgen handelt – für unsere Kunden sind wir Sparingpartner von der Prozessentwicklung bis hin zum Bau von voll automatisierten Industrieanlagen.
Welchen Umsatzanteil streben Sie damit jenseits Ihres Kerngeschäfts der Biodiesel-Anlagen an?
Es werden mittelfristig bis zu 50 Prozent sein, denn die Nachfrage auf dem Markt ist extrem hoch. In der Aufwertung von Abfallölen und -fetten sind wir ja bereits Marktführer.
Wie stark trifft Ihr Unternehmen der Mangel an qualifizierten Mitarbeitern?
In den vergangenen Jahren sind wir dank der guten Auftragslage stark gewachsen und werden dieses organische Wachstum fortsetzen. Durch unsere Positionierung als innovativer und attraktiver Arbeitgeber können wir annähernd unseren Bedarf an motivierten, qualifizierten Fachkräften decken. Spitzenauslastungen müssen zusätzlich mit Leihpersonal abgefedert werden, das wir bestmöglich als fixe Mitarbeiter zu übernehmen versuchen.
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